Ein sagenhaft gelungener Tag
Das Gottesackerplateau beeindruckt nicht nur durch seine bizarre Karstlandschaft, sondern ist auch mit einer alten Sage aus dem Kleinwalsertal verbunden. Diese Geschichte diente bei unserer Seniorentour im August als Leitmotiv – sowohl unterwegs als auch in einem kleinen improvisierten Theaterstück am Gipfel.
Der folgende Tourenbericht greift diese Sage auf und erzählt die Erlebnisse des Tages in einem augenzwinkernden, erzählerischen Stil – inspiriert von der alten Geschichte über den „Acker Gottes“.
Die Sage vom Gottesacker
Einst lebte hoch oben am Berg ein wohlhabender Bauer mit seiner Familie. Sein Hof war fruchtbar und reich, doch er behandelte seine Knechte und Mägde hart und gönnte ihnen kaum Ruhe.
Eines Abends klopfte ein alter, erschöpfter Bettler an seine Tür und bat um ein Stück Brot und ein Nachtlager im Heu. Der Bauer jedoch jagte ihn fort, warf mit Steinen nach ihm und hetzte seine Hunde auf den Greis. Da sprach der Alte einen Fluch: Alles, was einst fruchtbar war, solle zu Stein werden.
Noch in derselben Nacht zog ein heftiges Gewitter auf, und der prächtige Hof wurde vom Blitz getroffen und zerstört. Am nächsten Morgen war die einst grüne Alm versteinert – aus dem „Acker Gottes“ war ein „Gottesacker“ geworden, ein toter Steinacker.
Diese Geschichte war auch Teil unserer Seniorentour: Am Gipfel wurde die Sage von Marie in einem kleinen Theaterstück aufgegriffen. Ihren anschließenden Tourenbericht hat sie passend dazu im Stil der Sage gestaltet – wir veröffentlichen ihn hier in voller Länge:

Nachdem sich Franz und Anna Mitte August als “Geiselführer” und “Geiselführerin” betätigt hatten, schlüpften sie für die letzte Seniorentour des Sommers in die Rolle des Bauers und der Bäuerin mit reichem bergigem Grundstück, um ihr Volk (gottes)ackern zu lassen.
Gnädigerweise hatten sie wegen Wettervorhersagen und Verpflegungsmöglichkeiten das Arbeitspensum verringert, so dass sich zwanzig Tagelöhner am Start gegen 9 Uhr bei der Mittelstation der Ifenbahn einfanden. Sogar im traditionsbewussten Allgäu hatten sie nicht mit Karren anreisen müssen, sondern nach Belieben mit Auto, Bus, Fahrrad und dann mit Seilbahn oder zu Fuß.

Der Herr vorn, die Herrin hinten, ging es 450 Hm hinauf zur Bergstation der Ifenbahn, überraschenderweise bei Sonnenschein. Das Gesinde durfte sich da etwas ausruhen und stärken, während Herr Franz die Beschaffenheit der umliegenden Steinfelder erklärte und die Sage über die Entstehung des Gottesackerplateaus vorlas. Eine gewisse Unruhe entstand selbstverständlich: Würde eine oder einer der Anwesenden erschöpft und mit zerlumpten Kleidern schon um Hilfe betteln müssen? Deswegen von Herrn Franz mit einem Stein beworfen werden? Und anschließend alle verwünschen, sodass das für den Abend angekündigte Gewitter gleich aus heiterem Himmel hereinbrach?
Nein, zum Glück waren die Bergausrüstung und die Kondition jedes Einzelnen ausreichen, damit sich alle ohne Schicksal herausfordernde Zwischenfälle wieder auf den Weg machten. Da das “Ackern” aus Balancieren von Felsen zu Felsen über dem “Steinfriedhof” und anschließend aus einem kurzen Aufstieg auf den Hahnenköpfle bestand, hatten die Tagelöhner sogar Spaß daran und durften ihr Umfeld genügend betrachten und kommentieren.

Vor dem Abstieg zur Mittelstation wurden die mitgebrachten Vorräte in aller Gemütlichkeit auf dem Gipfel verzehrt. Etwas später, an der Ifenhütte angekommen, genehmigten Herr und Herrin ihrem Gesinde einen schönen Abschluss bei Getränken und Kuchen, bevor alle die Rückfahrt antraten.
Und der Tagelohn? Eine faszinierende Landschaft, interessante Gespräche, das gute Gefühl, Kondition und Gleichgewicht trainiert zu haben, neue oder neuerweckte Kenntnisse über die Allgäuer Berge und ihre Entstehung, viel Spaß.
Solche netten und entgegenkommenden Herrschaften sind nicht selbstverständlich und müssen hiermit bedankt werden … nicht nur für diesen sagenhaft gelungenen Tag, sondern auch für die ganze Wandersaison.
Marie Masse
